Lange hat es gedauert, nun scheint es also soweit zu sein… Die globale Internetverwaltung ICANN, primär zuständig für die Adressvergabe von Top-Level-Domains, hat die Tore offiziell geöffnet und den Weg für eine der ersten „Lokalen Top-Level-Domains“ freigemacht: Mit der Top-Level-Domain .hamburg werden Unternehmen und Bürger der Region Hamburg zukünftig Internetadressen wie zum Beispiel www.firmenname.hamburg oder www.nachname.hamburg nutzen können. Und die nächsten lokalen Top-Level-Domains wie .berlin oder .koeln stehen ebenfalls schon in den Startlöchern. Verändert sich damit mal wieder alles im Bereich der (lokalen) Suchmaschinenoptimierung?

Lokale Top-Level-Domains – Fluch oder Segen?

Zunächst sollte man sich allgemein die Frage stellen: Sind die neuen Top-Level-Domains nun ein „Fluch“ oder doch ein „Segen“? Natürlich kann man das nicht generell festlegen, aber meiner Meinung nach geht die ganze Sache doch eher in Richtung Fluch und das hängt mit dem ursprünglichen Gedanken der Väter des Domain Name System (DNS) zusammen. Ziel des DNS ist/war, ein strukturiertes und hierarchisches Domainsystem abzubilden. Mit der Öffnung des Namensraumes ist dieses durchdachte System von der ICANN nun schlicht ad adsurdum geführt worden. Nicht nur die Internetnutzer werden jetzt endgültig ins rotieren kommen und den Überblick verlieren, denn viele eher weniger internetaffine Nutzer taten sich schon mit TLDs außerhalb von .de, .com und .net teilweise schwer und hielten diese für unseriös. Selbst alte TLDs wie .info, .biz, .eu, .travel, .tel oder .mobi konnten sich letztlich nie wirklich am Markt durchsetzen.

Besonders für Firmen mit verschiedenen Markenrechten dürfte die Einführung neuer Top-Level-Domains ein teures Vergnügen werden, müssen sie ihre Marken nun zusätzlich unter dutzenden – vielleicht sogar hunderten – neuen Domains registrieren und verwalten, um ihre Markenansprüche zu schützen. Und tun sie es nicht, kommen später Kosten für juristische Markenrechtsstreitigkeiten hinzu. Hier wird es in den nächsten Monaten also noch zahlreiche spannende und abstruse Nachrichten zu lesen geben. Bei lokalen Top-Level-Domains wie .hamburg und .berlin stellt sich zudem die Frage: Es gibt gibt nicht nur eine Stadt mit dem Namen Hamburg und Berlin – wer hat nun tatsächlich Anspruch auf die TLDs und werden sich die übrigen Regionen damit abfinden, diese TLD nicht verwalten zu können? Auch hier dürfte es wohl bald zu ersten Streitigkeiten kommen.

Etwas Positives hat die Sache dennoch: Die Nutzung von Suchmaschinen wird explodieren! 😉

Lokale Top-Level-Domains und Local SEO

Extrem spannend dürfte das Thema lokale Top-Level-Domains auch in Bezug auf die lokale Suchmaschinenoptimierung werden. Besonders für kleine und primär regional tätige Unternehmen wird die lokale Suchmaschinenoptimierung immer wichtiger. Mit den neuen Top-Level-Domains wird sich in den nächsten Monaten dann wohl auch ein weiterer, vielleicht gar nicht mal so unwichtiger, Rankingfaktor in Bezug auf Local SEO auf den Weg machen. Da Google ja selbst einige – teilweise sogar eher fragwürdige – Top-Level-Domains wie z.B. .lol, .mom, .page und ca. 50 weitere TLDs starten und bereitstellen möchte, dürfte die Akzeptanz von Google gegenüber neuen Top-Level-Domains also nicht zu verachten sein. Die Frage ist nun: Werden die Suchergebnisse für lokale Suchergebnisse demnächst neben den Google Places Einträgen auch von lokalen Top-Level-Domains dominiert? Bing ist ebenfalls dafür bekannte, den Domainnamen nicht unwesentlich als Rankingfaktor zu beachten. Auch hier könnten Domains mit einer lokalen TLD dann für eine nicht ganz unwesentliche Verschiebung der Rankings sorgen.

Auch wenn viele Nutzer die neuen Top-Level-Domains für Humbug halten und aktuell natürlich noch keinerlei Details zur möglichen Berücksichtigung in den Suchergebnissen bei Google und Bing bestehen, sollte man sich trotzdem schon jetzt die ersten Gedanken darüber machen, wie man mit den neuen lokalen Top-Level-Domains als potenziellen Rankingfaktor in Zukunft möglicherweise umgehen will, denn die Frage wird in spätestens 12 Monaten von vielen Kunden gestellt werden: „Soll ich meine aktuelle Domain www.krempler-mueller-hamburg.de auf www.klemptner-mueller.hamburg umstellen oder eine entsprechende lokale Top-Level-Domain zusätzlich registrieren?“.

So oder so – Die Bank gewinnt immer

Es gibt natürlich verschiedene Strategien: Man setzt darauf, dass die neuen Top-Level-Domains ein Flop auf ganzer Linie werden und macht weiter wie bisher oder man spielt das teure – und aus meiner Sicht völlig unsinnige – Spiel der ICANN und Registrare mit und hofft, am Ende auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Ich weiß nicht wie es bei euch aussieht, aber ich für meinen Teil bin aktuell noch unschlüssig. Allerdings habe ich bisher noch in keiner Minute das Bedürfnis gehabt mir irgendwelche Domains mit eine der neuen TLDs vorbestellen zu müssen. Vielleicht liege ich damit richtig – vielleicht auch aber nicht. Vielleicht sind Top-Level-Domains eh bald komplett hinfällig? Feststehen dürfte allerdings, dass auch diesmal wieder die „Bank“ (hier die ICANN und die Registrare) gewinnen wird!

Jetzt würde mich auch mal eure Meinung zu dem Thema interessieren! 😀