Heute möchte ich mal wieder das Thema Domains bzw. Top-Level-Domains aufgreifen. Nach dem letzten TLD-Release „.tel“ plant die ICANN für Mitte/Ende 2010 die Einführung gleich mehrerer neuer Top-Level-Domains. Dabei soll es sich einerseits um regionale Top-Level-Domains – allen voran können hier wohl die Initiativen dotBerlin und dotHannover genannt werden – und andererseits um eigene Domains für Unternehmen handeln. Hier hat beispielsweise das Unternehmen eBay bereits Interesse an einer eigenen Top-Level-Domain „.ebay“ bekundet. Wer in diversen Domain- und IT-Foren mitliest, wird sehr schnell feststellen, daß sich die Begeisterung jedoch arg in Grenzen hält. Auch bei mir sträuben sich bei diesem regelrechten DNS-Schlachtfest die Nackenhaare.

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Ich bin ja nun schon seit über 10 Jahre im Internet unterwegs und das war zu einer Zeit, als man noch fragte „Hast du eine Internetseite?“ – und nicht wie heute „Wie heißt deine Internetseite?“. Damals beschränkte sich die Auswahl der Top-Level-Domain allgemein noch auf die Klassiker .com, .net, .org und .de sowie andere Länder-TLDs. Einige Zeit später kamen dann die ersten zusätzlichen (unnötigen?) Top-Level-Domains wie .biz, .info und .name dazu, die auch heute noch einer Vielzahl der Nutzer unbekannt sind, denn Otto-Normalverbraucher kennt in der Regel nur .de und .com – mit etwas Glück vielleicht noch .net. Alle anderen exotischen Endungen wie .biz, .eu und .mobi oder gar .travel oder .museum sind diesen meist völlig unbekannt. Mögen diese Domains auch noch so exotisch und unsinnig sein, so folgen sie immerhin der Hierarchie des DNS-Systems. Beispiel:

http://abteilung(3).firma(2).land(1)
(1) Top-Level-Domain
(2) Second-Level-Domain/Hostname-Domain
(3) Third-Level-Domain/Sub-Domain (i.d.R. „www“)

Wie in diesem Beispiel ist also das Domain-Name-System laut Spezifikation aufgebaut, d.h. also vom groben Root (1) bis zur speziellen Sub-Domain (3). Wikipedia hat hierzu eine nette Grafik. Dieses über viele Jahre etablierte und bewährte System könnte aber nun bald vor dem Aus stehen – und das nur aus reinem wirtschaftlichem Interesse. Geht es nach der ICANN soll das DNS-System bzw. der Domain-Namensraum ab dem nächsten Jahr zur Ausschlachtung bereitgestellt werden, indem die logische Hierarchie praktisch für schlappe 100.000 Euro je neuer Top-Level-Domain aufgeweicht wird. Jetzt wird vermutlich der eine oder andere sagen: „Wo liegt das Problem?“. Ok dann wollen wir das Problem hier und heute mal etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Was spricht gegen die Erweiterung des Adressraumes in Form von Regio-TLD (z.B. .berlin) und Firmen-TLD (z.B. .ebay)?

Die Kosten von über 100.000 Euro für eine eigene Firmen-TLD dürften gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise kein Pappenstil sein. Aber damit nicht genug, denn hierzu kommen zusätzliche Kosten für die dazugehörige technische Infrastruktur sowie die Verwaltungs- und Wartungskosten durch entsprechendes Personal. Das dies nicht gerade günstig wird, kann sich der erfahrene Domainer hier vermutlich an fünf Fingern abzählen. Aber wie sieht es mit den regionalen Top-Level-Domains wie .berlin, .nyc, .düsseldorf, .köln, .paris, etc. aus, die zusätzlich von externen Anbietern angeboten werden? An dieser Stelle kommen noch weitere Kosten auf die Unternehmen zu, denn inzwischen kann es sich kein Unternehmen mehr leisten unter einer bestimmten TLD nicht erreichbar zu sein. Man könnte fast schon von einem Registrierungszwang sprechen.

Ein gutes Beispiel zeigt hier Google: Die Suchmaschine erreicht man nicht nur unter den Domains google.com, google.de (und weiteren Länderdomains, was auch Sinn macht), sondern auch unter exotischen Domains wie google.biz, google.info, google.tv, google.jobs, google.pro, google.tel, etc. – also Endungen, die Google nur registriert hat um seinen Namen zu schützen. Oder habt ihr schon mal eine dieser URLs aktiv in eurem Browser aufgerufen? Effektiv genutzt werden diese also nicht, sondern werden nur auf die reguläre Google-Suche umgeleitet. Zahlen muß Google trotzdem. Nun stelle man sich die Kosten für Google vor, wenn in Deutschland jede Stadt + und ggf. Region (z. B. .bayern) eine eigene Top-Level-Domain bekommen würde. Geht noch? Achtung, wir reden hier nicht von 5 oder 10 neuen Domains! Ok, dann weiten wir das Szenario einfach mal auf die ganze Welt aus. Heavy, oder? Da kommen mal locker einige hundert oder tausend neue Top-Level-Domains dazu, die registriert und verwaltet werden müssen.

Nun mag es für Riesen wie Google oder Microsoft noch ohne Probleme möglich sein diese Kosten zu wuppen, aber wie sieht es mit kleineren Unternehmen aus? Schwer bis unmöglich. So oder so wären die Unternehmen gezwungen, wenn sie hier mithalten wollen, diese Kosten auf die Produkte oder Dienstleistungen abzuwälzen. Letztlich ist also der Endverbraucher der Dumme, da er diese Kosten tragen muß!

Aber nicht nur bei den Kosten ist der Konsument der Dumme. Auch hinsichtlich der Verwirrung wäre eine ungezügelte Adresszonen-Erweiterung vorprogrammiert. Haben eine Vielzahl der Nutzer schon Probleme sich Top-Level-Domains außerhalb von .de und .com zu merken, wäre die Verwirrung so perfekt. Nehmen wir einfach mal wieder das Beispiel „.berlin“. Die Initiatoren von dotBerlin argumentieren mit einer Knappheit freier .de-Domains um ihr Projekt durchzudrücken – womit sie gar nicht mal so Unrecht haben.

Allerdings ist die Domainknappheit meiner Meinung nach eher ein hausgemachtes Problem. Dieses hatte ich bereits in einem älteren Artikel von mir angesprochen. Das Problem liegt aus meiner Sicht an den sehr niedrigen Kosten und den zu niedrigen Hürden zur Registrierung einer .de-Domain. Ein gefundenes Fressen für Domaingrabber. Preise um die 0,16 Euro/Monat sind ein Witz. Würde eine .de-Domain stattdessen 2,99/Monat kosten (wie z.B. bei .at oder .ch), wäre die Lage auf dem Domainmarkt weitaus entspannter. Nicht genutzte/geparkte Domains würden recht schnell wieder freigeschaltet werden. Dies aber nur am Rande. Viel wichtiger ist hier die Verwirrung, die bei den Nutzer durch zusätzliche und unbekannte neue Top-Level-Domains aufkommen würde: Gebe ich nun www.berlin.de oder www.de.berlin für die Startseite der Stadt Berlin ein – und welches Berlin soll die Endung .berlin überhaupt bekommen? Muß es unbedingt www.rathaus.berlin sein – wäre rathaus.berlin.de nicht sinnvoller? Meiner Meinung wären neue Top-Level-Domains weder für Unternehmen noch Nutzer ein Segen.

Profitieren würden primär die ICANN, die Registrare und mit Sicherheit auch einige Kriminelle. Bei derlei Wirrwarr lassen natürlich auch Betrüger nicht lange auf sich warten und werden ihre Chancen nutzen, denn wer würde bei dem ganzen Domainchaos noch wirklich durchblicken? Fishing-Seiten hätten es dann noch deutlich leichter als heute.

Vor einigen Wochen wurde eine Umfrage in England durchgeführt, in der 1000 Engländer zu dieser Thematik aus allen Altersschichten befragt wurden. Das Ergebnis war entsprechend deutlich: Gut 65% der Befragten erwarten zahllose sinnlose Domainnamen. 57% befürchten, daß das Internet auf diese Weise deutlich unübersichtlicher und verwirrender werden würde und 41% glauben sogar, daß das Internet auf diese Weise sogar komplett außer Kontrolle geraten würde. Tja, so sind die Briten – deshalb möchte ich hier mal die Gegenprobe mit einer kleinen Umfrage machen…

Ich freue mich über eure Meinungen als Experten in Sachen Suchmaschinenoptimierung, Suchmaschinemarketing und Domaining!